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Mit Sasja den Tod verstehen?!

von Chiara Gieseler, Maike Ohngemach, Pia Schmidt (2020)

Was ist der Tod? Und was passiert danach? Auch Sasja stellt sich diese existenziellen Fragen, als seine Mutter stirbt und vom Tod persönlich in dessen Reich jenseits des Meeres gebracht wird. Eine abenteuerliche und emotionale Reise über Leben, Tod und die eigene Stärke beginnt. Der junge Sasja ist überzeugt davon, seine Mutter retten zu können und stößt dabei in einer fantastischen Welt der Kinderliteratur auf immer neue Hindernisse. Gleichzeitig lernt er die unterschiedlichsten Freunde kennen, die ihm zur Seite stehen und mit ihm die dort herrschende Ordnung grundsätzlich in Frage stellen.

Frida Nilsson trägt mit ihrem Werk „Sasja und das Reich jenseits des Meeres“ einen Teil zu Kinder- und Jugendliteratur bei, die durch die Thematik des Todes tiefer geht, als gewöhnlich. Durch ihren anschaulichen und fesselnden Schreibstil vergeht der Weg durch das Reich des Todes sehr viel schneller, als der Umfang des fast 500 seitigen Buches auf den ersten Blick vermuten lässt. Aber kann Kindern, wie dem jungen Protagonisten, die Auseinandersetzung mit dem Tod dadurch auch erleichtert werden? Kann Nilsson dem Vergleich mit Astrid Lindgren, wie er auf dem Klappentext des Buches zu finden ist, auch wirklich gerecht werden?

Aufgrund der lebhaften Beschreibung erwachen die Tierwesen aus dem Reich des Todes vor dem inneren Auge zum Leben und es ist, als erlebte man zusammen mit Sasja und seinen neuen Freunden die Reise zum Tod.

Als Sasja in dessen Reich reist, wird er mit einem ganz anderen Bild des Todes konfrontiert: die Welt scheint für Sasja unerwartet voller Heiterkeit und Lebensfreude. Nilsson schafft Außergewöhnliches, indem sie das gefürchtete Reich des Todes gleichzeitig mit Liebe füllt. Zusammen mit Trine und der Prinzessin von Sparta reist er durch das Reich und erlebt Abenteuer, die so elegant und so schaurig beschrieben sind, dass die Leser*innen richtig mitfiebern können. Sasjas neue Freunde erinnern ihn an Tiere, die er von Zuhause kennt und ihr Spielen lässt die Kindheit unbeschwert erscheinen und erinnert die Leserschaft die Kindheit wertzuschätzen. Helfen diese Vorstellungen aber nun Kindern, die mit dem Tod in Berührung gekommen sind? Eventuell könnte der Gedanke tröstend sein, dass die verstorbene Person in einer anderen Welt glücklich und gesund sein kann.

Sasja erfährt den Tod anfangs als etwas Unrechtes und etwas, dem jeder machtlos ausgeliefert ist. Themen wie Angst, Unsterblichkeit, aber auch das Fühlen von Schuld bei Glücksmomenten, wird behandelt. Verglichen mit der griechischen Mythologie verkörpert der Tod hier gleichzeitig die Rolle des Übermittlers und die Rolle des Herrschers. Er erlöst die Menschen vom Leben und bringt sie in sein Reich. Sein Charakter wird als selbstverliebt und egozentrisch beschrieben, was ihn sehr menschlich werden lässt. Zudem besitzt der Tod auch liebenswürdige Eigenschaften. Hier wird den Leser*innen ermöglicht, sich mit dem Leben nach dem Tod und was dahintersteckt, auseinanderzusetzen. Eventuell könnte es helfen, den Tod zu personifizieren, um besser mit dem Sterben umgehen zu können.

Mit dem Tod beschäftigte sich schon Anfang der 70er Jahre äußerst erfolgreich Astrid Lindgren. In Werken wie „Die Brüder Löwenherz“ kommen Kinder mit dem Tod in Berührung und müssen sich mit diesem auseinandersetzen. Auch wenn Nilssons Buch dieselbe Thematik behandelt, kann sie doch nicht mit Lindgren auf eine Stufe gestellt werden. Nilsson scheitert schlicht daran, nicht drastisch genug zu sein. Anstatt ein realistisches, wenn auch trauriges, Ende zu formulieren, bekommt Sasja seine tote Mutter lebendig und gesünder als je zuvor zurück. Kindern wird somit ein falsches Bild vom Tod suggeriert. Denn: wer stirbt, ist tot – ganz egal wie sehr man die verstorbene Person auch geliebt hat.

Welche Erwartungen gibt es also an Kinder- und Jugendliteratur, in denen es um den Tod geht? Sie sollte sich an Stellen trauen, die knirschen und weh tun. Leser*innen sollten die Möglichkeit bekommen, sich mit dem Tod auseinander zu setzen und sich mit aufkommenden Fragen beschäftigen zu können. Literatur kann begleiten, vorbereiten und stärken.                                                                                                                                       Das Buch ist für Jugendliche ab einem Alter von elf Jahren empfohlen. Aufgrund des Umfangs ist der Roman nicht für den Schulunterricht geeignet. Auch wenn ihr Werk tiefer geht als ein großer Teil der Kinder- und Jugendliteratur, geht es doch nicht tief genug. Vielleicht will der Roman aber auch nur das Thema Tod und Sterben anreißen und gar nicht den Umgang behandeln, sondern vielmehr den Fokus auf das Wertschätzen der Kindheit legen.

Alles in allem ist Nilssons Werk mehr als ein fantasievoller Abenteuerroman aufzufassen, als eine Hilfe für die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod. Viele Stellen vermitteln in diesem Zusammenhang ein falsches Bild oder sind schlicht verwirrend. Für eine produktive Thematisierung mit Kindern sind andere Bücher eher geeignet und zeigen ein realistischeres Bild, was auf die Wirklichkeit übertragen werden kann.