Tan, Shaun: Reise ins Innere der Stadt

Verstörend schön

von Esther Link, Fabiana Niemann, Meike Reulein & Isabelle Risopp (2018)

Mondfische, die im Himmel leben, Schmetterlinge, die eine ganze Stadt zum Stillstand bringen oder Riesenschnecken, die sich auf Nebenstraßen finden und an Ort und Stelle lieben – in seinem neusten Werk „Reise ins Innere der Stadt“ gelingt es Shaun Tan, das Verhalten der Menschen als absurd darzustellen.

Sein Werk besteht aus insgesamt 25 Kurzgeschichten und Gedichten, die von großartigen Illustrationen, die im Original Ölbilder sind, ergänzt werden. Jede Parabel berichtet von einer Utopie, in der Tiere ein Teil der Großstadt sind. Die oft melancholischen Geschichten beschreiben das Verhältnis von Mensch und Tier. Auf außergewöhnliche Weise schafft es der Autor, die Leser*innen auf eine Reise mitzunehmen, die sie vielleicht nie antreten wollten und von der sie dann doch hoffen, dass sie so schnell nicht wieder endet. Ständig begleitet von einem beklemmenden Gefühl, stimmen die Geschichten einerseits traurig und geben andererseits doch das Gefühl von Hoffnung und Zuversicht auf eine bessere Welt. Die vielen Illustrationen ermöglichen es, sich noch mehr in den aufkommenden Emotionen zu verlieren und fesseln die Leser*innen an das Werk. Die scheinbar nie endende Vorstellungskraft und Kreativität Tans versetzt so sehr ins Staunen und hinterlässt ein Gefühl von Sehnsucht und Wehmut zugleich, denn Tan schafft es, durch seine Kunstwerke die Leser*in in keinster Weise einzuschränken.

Bereits 2011 erhielt Shaun Tan den Astrid-Lindgren-Preis, welcher als höchste Auszeichnung in der Kinder- und Jugendliteratur gilt. Auch sein neustes Werk hat durchaus das Potential, ausgezeichnet zu werden. Er ist ein Ausnahmekünstler, dessen Zeichnungen voller Fantasie und Leidenschaft stecken und einen tief berühren. Er ist bekannt für seine Bilderbücher, aber auch seine literarischen Ergüsse können als wertvoll erachtet werden.

Ob dieses Kunstwerk nun ein Buch für Kinder und Jugendliche ist oder seinen Platz in der Erwachsenenliteratur findet, ist am Ende Nebensache. Jede*r hat die Chance, den Weg ins Innere der Stadt anzutreten, um dort ganz persönliche Erfahrungen zu machen und sich selbst in seinem Verhalten zu hinterfragen.