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Titelbild
Hartnett, Sonya:
Schlafende Hunde
Aus dem australischen Englisch von Petra Koob-Pawis
Würzburg: Arena 2000
(Erstauflage 1998)
144 S., € 6,50

Hartnett, Sonya: Schlafende Hunde

Im Teufelskreis

von Anja Dame und Traudl Bünger (2001)

Abgeschieden leben die Willows auf ihrer Farm. Eine totale Isolation, die auch durch die Vermietung von Caravanstellplätzen nicht aufgehoben wird. Fremde werden misstrauisch und feindselig beäugt. Der Vater Griffin diktiert die Regeln und bizarren Rituale des Zusammenlebens. Er verlangt völlige Unterwerfung und niemand wagt zu widersprechen. Grace, die Mutter, in ihre eigene Welt geflüchtet, verlässt das Haus nicht mehr, seit die Sorge mehr wurde, als sie ertragen konnte.

Die Kinder sind stolz und verschlossen, „nicht fähig, Freundschaften zu schließen, da es ihnen von Kindheit an verboten wurde“. Jedes ist von Griffin funktionalisiert: Der älteste Sohn Edward führt die Farm, da unter Griffins Hand „nichts so recht gedeihen“ will. Die 23-jährige Michelle genießt als Liebling Griffins besondere Zuwendung und Narrenfreiheit. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Spot hat sie Graces Aufgaben übernommen. Jordan ist der Einzige, der nicht in das vom Vater dirigierte System passt. Schon äußerlich fällt er aus der Reihe der Geschwister heraus und mit seiner verträumten Art entzieht er sich immer wieder Griffins Diktat. Nicht nur deswegen wird er für diesen zur Bedrohung – mit seinem künstlerischen Talent scheint er viel weniger auf den engen Kosmos der Farm angewiesen zu sein als der Rest der Familie. Angesichts dieser Gefährdung seiner Herrschaft misshandelt Griffin seinen Sohn beinahe täglich. Die Schläge gehören zum Farm-Alltag, werden hingenommen und nach außen verborgen. Auf eine zerstörerische Art werden sie sogar als gerecht empfunden – als Strafe für das inzestuöse Verhältnis, das Jordan und Michelle verbindet. Der jüngste Sohn Oliver fügt sich scheinbar besser in die Familie, im Innersten träumt aber auch er von Veränderung und Ausbruch. In seiner großen Sehnsucht nach Freundschaft nähert er sich einem Fremden und gibt unbedacht das Geheimnis von Michelle und Jordan preis. Durch diesen Vertrauensbruch wird das labile familiale Gleichgewicht nachhaltig gestört. Die schlafenden Hunde sind geweckt und die Eskalation ist nicht mehr aufzuhalten.

In diesem psychologischen Roman beschreibt die Australierin Sonya Hartnett eindrucksvoll die morbide Atmosphäre der Farm. Mit zum Teil archaischer Symbolik und Metaphorik entwickelt sie ein beklemmendes Familien-Psychogramm. Wertfrei analysiert sie die verworrenen Beziehungen und macht so die Wurzeln einer Tragödie sichtbar, aus der es keinen Ausweg gibt. Den Lesenden offenbart sich ein kaum zu ertragender Teufelskreis, dem sie fassungslos gegenüber stehen. Am Ende fühlen auch sie sich ihrer moralischen Urteilsfähigkeit beraubt. Zu Recht wurde die Autorin mit diesem herausragenden Werk 1999 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

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