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Titelbild
Bongartz, Dieter:
Der zehnte Sommer des Kalli Spielplatz
Umschlag und Illustrationen von Linda Wolfsgruber
Wien: Gabriel 1998
164 S., € 13,50

Bongartz, Dieter (Text) und Linda Wolfsgruber (Illustration): Der zehnte Sommer des Kalli Spielplatz

Trickreich durchs Leben

von Traudl Bünger (2000)

Tricks und Ausreden benötigt Kalli bei seiner Freizeitgestaltung ständig. Schließlich wacht eine argwöhnische Mutter über ihn. Und auch der Nachbarschaft im Külleskap, der kleinen Straße des Vorortes, in dem Kalli wohnt, entgeht so schnell nichts. Diesen Fesseln entzieht sich der Neunjährige mit viel Witz und Originalität, entkommt so mal dem Samstagabendbad, mal der Strafe wegen eines nächtlichen Ausfluges. Dennoch engt ihn seine spießbürgerliche Umgebung ein, macht ihn manchmal aggressiv und wütend. Völlig neue Möglichkeiten für die Gestaltung der Sommerferien eröffnen sich Kalli, als er einen Affen geschenkt bekommt. Dieses Geschenk stellt seinen Einfallsreichtum auf eine harte Probe, schließlich muss Kappu verpflegt, untergebracht und unterhalten werden – alles ohne dass es die Eltern bemerken. Belohnt für diese Mühen werden Kalli und seine Freunde mit den „schönsten Wochen“ ihres Lebens, unbeschwert genießen sie ihre Ferien mit dem Kapuzineräffchen.

Dieter Bongartz, Filmemacher, Reporter und Autor für Kinder und Erwachsene, entwirft in diesem Kinderroman das (bis auf wenige Details) stimmige Bild einer Kleinstadt in den 50ern. Jungenstreiche, Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse, Geldsorgen, kleinbürgerliche Engstirnigkeit – alles entsteht aus Kallis Blickwinkel. Darüber hinaus gewinnen die Lesenden auch Einblicke in seine Gefühlsund Gedankenwelt.

Ein besonderes Lob hat die sprachliche Gestaltung verdient: Bongartz stellt häufig elliptische Sätze nebeneinander, so versetzt er die Lesenden in assoziativ ablaufende Gedankenketten und veranschaulicht durch stetige Steigerung Kallis Ängste oder die atemlose Begeisterung, mit der Kalli Kappus Vorzüge aufzählt.

Die Detailversessenheit, die für die Stimmigkeit der Szenerie verantwortlich ist, findet sich auch in den mit Aquarell unterlegten Tuschzeichnungen von Linda Wolfsgruber (allerdings haben Spinnen nicht sechs, sondern acht Beine). Akribisch werden Muster von Kleidern oder die Struktur von Kappus Fell gestaltet. Dabei inszeniert die Illustratorin Kallis Sicht der Personen gekonnt. So erscheint die freizügige Nachbarin ebenso faszinierend wie respekteinflößend, Kallis Mutter in ihrer Wut über Verfehlungen des Sohnes gigantisch und bedrohlich. Sicher hilft diese kunstgerechte Illustration – im Zusammenspiel mit der gelungenen Kinder-Perspektive – auch jüngeren Lesern, sich auf die Geschichte einzulassen und die Distanz zu überwinden, die eventuell durch die fremde Zeit entsteht.

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