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Jon Arno Lawson:
Überall Blumen
Illustriert von Sydney Smith
Frankfurt am Main: Fischer Sauerländer 2016
EA 2015 u.d.T.: Sidewalk flowers
12 ungez. Bll.
€ 14,99
Bilderbuch ab 4 Jahren

Lawson, Jon Arno (Text) und Sydney Smith (Illustration): Überall Blumen

Durch die Augen eines Kindes

von Charlotte Jäger, Katharina Knotte, Mareike Maurer (2016)

Das textlose Bilderbuch ‚Überall Blumen’ (Englisch ‚Sidewalk Flowers’) von JonArno Lawson und Sydney Smith erzählt vom Heimweg eines kleinen Mädchens durch eine anfangs als grau wahrgenommene Stadt. Während es an der Hand seines Vaters durch die Straßen läuft, entdeckt es hier und dort einzelne Blumen, die an Straßenlaternen wachsen und zwischen Bordsteinen sprießen. Aber wer würde dem in der hektischen Erwachsenenwelt schon Beachtung schenken? Das kleine Mädchen im roten Mantel! Es sammelt und verschenkt diese Blumen an Tiere und Menschen, denen es begegnet.

Laut Lawson ist diese Geschichte auf der Basis eines Spaziergangs mit seiner siebenjährigen Tochter Sophie entstanden, den er wie folgt in einem Interview beschreibt: „Ich hastete […] ohne Sophie Aufmerksamkeit zu schenken oder danach zu sehen, was sie tat. […] – und ich war voll Sorge, ohne zu sehen, was um mich herum passierte. Plötzlich bemerkte ich, dass Sophie Blumen pflückte […].“ Angelehnt an dieses Erlebnis entwickelte er in Zusammenarbeit mit Sydney Smith eine Bildergeschichte, die nicht nur das Auge der BetrachterInnen entzückt, sondern auch zum Nachdenken anregt: Die Autoren schaffen es, die Freude des Gebens ohne Worte darzustellen und kritisieren gleichzeitig die Erwachsenen, deren starre Blicke die kleinen Dinge des Lebens nicht mehr zu erkennen vermögen.

Beim Betrachten sticht sofort der rote Mantel des Mädchens heraus, welcher im ‚krassen? Kontrast zur grauen Kulisse der Stadt steht. Das rote Cape dient als Wiedererkennungsmerkmal und erinnert an „Rotkäppchen“, das ebenfalls von bunten Blumen begeistert ist und diese sammelt, um ihrer Großmutter eine Freude zu bereiten.

In „Überall Blumen“ werden die Orte und Menschen, auf die das Kind trifft, in Panels organisiert aneinandergereiht. Die schwarz-weiße Farbgebung wird zu Beginn durch einzelne Farbtupfer durchbrochen. Je mehr Blumen es pflückt, desto bunter wird die Welt um es herum. Eine großflächige Färbung setzt mit dem Schmücken eines toten Vogels ein, der im Park auf dem Fußweg liegt. Auch der Garten der Familie ist farbenreich illustriert. Diese Art der Farbgebung verändert die Atmosphäre der Stadt positiv und lässt sie fröhlicher und freundlicher erscheinen. Es wirkt so, als sei aus Winter Frühling geworden.

Zudem fällt die detaillierte Darstellung der Mimik der Menschen auf: Das kleine Mädchen blickt sich mit großen Augen um und erfreut sich an der Schönheit der Blumen. Sein Vater allerdings zeigt einen ernsten, unbeteiligten Gesichtsausdruck und scheint in ein Telefonat vertieft zu sein. Auch die Menschen, die an der Bahnhaltestelle warten und über den Gehsteig laufen, wirken erschöpft und abwesend. Diese strengen Gesichter unterstreichen die grauen Züge der Häuser und verstärken das Gefühl von Kälte und Anonymität. Erst das Verschenken von Blumen bewirkt ein ‚Aufhellen? der Umgebung und der Stimmung.

Die Art der Gestaltung regt zu einer Form des ‚Detektivspiels? an. Nicht nur die Veränderung der Farben und der Mimik sind bei näherer Betrachtung erkennbar; es lassen sich ebenfalls vermehrt Details erkennen, die nicht sofort sichtbar sind, wie beispielsweise das geblümte Kleid einer Frau, die an der Bahnhaltestelle wartet und ein Buch liest. Sydney Smith spiegelt anhand dieser entdeckenden Darbietung die kindliche Faszination für alltägliche Dinge wider und involviert die BetrachterInnen in das Geschehen. So eignet sich das Bilderbuch zur Lektüre für Jung und Alt.

Autor und Illustrator schaffen mit dieser liebevoll gestalteten Bildergeschichte einen Aufruf zur Achtsamkeit im Alltag und zeigen, dass es keiner Worte bedarf, um poetisch und fantasievoll zu sein.

Bildprobe