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Titelbild
Brinx, Thomas / Kömmerling, Anja:
Neumond
Stuttgart:Thienemann 2008
288 S.
€ 13,90
Jugendbuch ab 13 J.

Brinx, Thomas / Kömmerling, Anja: Neumond

ellA rüf reniE | Einer für Alle

von Renata Roßbach (2008)

Was macht man, wenn man sich schon immer anders, nicht dazugehörig, ja außerirdisch gefühlt hat? Am besten man schließt sich mit anderen zusammen, denen es genauso geht. Wenn ein erstes Treffen allerdings mit einem unwahrscheinlichen und schier unglaublichen Ereignis zusammenfällt, dann ist klar: Man ist für ein gemeinsames Schicksal bestimmt …

Als Kinder trafen sich Jonas, Yannik und Chang an einem Neumondtag zufällig auf einer Waldlichtung und just in diesem Moment schlug zwischen ihnen ein Meteorit ein. Der Beginn einer intensiven Freundschaft. Seither treffen sie sich zu jedem Neumond im Wald. Mittlerweile sind sie 16 und kämpfen, jeder für sich, mit den Widrigkeiten des Erwachsenwerdens:

Jonas antwortet auf das regellose Leben seiner Schauspielereltern mit absoluter Ordnung, spießiger Angepasstheit und einem kaum zu übertreffenden Pflichtbewusstsein. Jonas’ Vernunft hört jedoch dort auf, wo sein elfter Zeh beginnt: Den lässt er sich nicht entfernen, auch wenn er im Schuh ständig drückt. Der außergewöhnlich intelligente und hibbelige Yannik langweilt sich derweil in der Schule und redet seit seiner frühen Kindheit streckenweise einfach rückwärts – ohne Probleme und ohne Vorwarnung. Er wächst in der heruntergekommenen Kneipe seiner Eltern auf, die dort ihrem Toten-Hosen-Fan-Dasein frönen. Die Dritte im Bunde der selbsternannten „Außerirdischen“ ist die bezaubernd schöne Chang. Seit der Geburt ihrer Schwester fühlt sie sich nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause unverstanden. Sie lehnt sich gegen das ultrakonservative Elternhaus auf, indem sie sich von einer Affäre in die nächste stürzt.

Zu Beginn ihrer Freundschaft schworen sie sich ewige Treue, stellten Gesetze und eine Reihe von Ritualen auf. So regelt etwa das „Grundgesetz“, dass sie untereinander keinen Sex haben dürfen. Den mittlerweile Pubertierenden fällt die Einhaltung ihrer eigenen Regeln jedoch immer schwerer. So gelingt es den beiden Jungen kaum noch, ihre Anziehung zu Chang zu verbergen: „Natürlich wäre das zerstörend, wenn Jonas es jetzt mit Chang treiben würde. Alles wäre kaputt.“ Daher halten sich die beiden zurück, denn alle drei wollen, wie bisher, füreinander da sein und gemeinsam erwachsen werden. Mit der Schwierigkeit, die sich dann, ganz heimlich, in ihr Leben geschlichen hat, rechnet jedoch keiner von ihnen: Im Knie des immer so fröhlichen, vor Energie strotzenden Yannik sitzt ein Tumor.

Ab dem Zeitpunkt der Diagnose ist nichts mehr wie zuvor – für niemanden. Während der nun folgenden Monate, in denen Yannik sich Chemotherapien und letztlich sogar einer Amputation unterziehen muss, leiden alle drei auf ihre eigene Weise. Doch das Band ihrer Freundschaft hält sie zusammen und sie unterstützen sich so gut es geht. Auf der anderen Seite sind da aber noch all die anderen, ganz alltäglichen Probleme, die nicht warten bis sich die Freunde in ihre neue Situation eingefunden haben – und die, im Vergleich zur Tumorerkrankung, plötzlich in völlig neuem Licht erscheinen.

So begleitet der Leser die drei Hauptfiguren bei ihrem Zickzacklauf der Gefühle. Yannik, Jonas und Chang kommen sich selbst und den jeweils anderen in dieser Zeit sehr viel näher und es gelingt ihnen, auf verschiedene Arten über sich selbst hinaus zu wachsen.

Das Autorenteam Brinx und Kömmerling begegnet in „Neumond“ einem schwierigen Thema mit ausgesprochen leichter und witziger Sprache. An einer Stelle heißt es etwa: „Ich mach einen Comic. Hauptfigur: Eddie der Wandertumor.“ Sie lassen den Leser so am Leidensweg der Dreierbande teilhaben. Sie verschonen ihn nicht vor detailreichen Beschreibungen der einzelnen Chemotherapien und lassen ihn bis zuletzt hoffen, dass sich doch noch alles zum Besten wendet: Yannik „verlor seine Haare, sogar das Nest, das sonst immer beim Schlafen entstanden war. Er war schwach, teilweise nicht ansprechbar wegen des hohen Fiebers Der Tumor sollte schrumpfen, aber alles andere schrumpft mit ihm, der ganze, große Yannik.“

„Neumond“ spricht viele unterschiedliche Aspekte im Leben Heranwachsender an und behandelt sie auf eine sehr direkte Weise, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Leider ist der letzte Teil des Buches ein wenig kitschig geraten, doch das tut den spannenden Lesestunden insgesamt keinen Abbruch.

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