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Léon, Christophe:
Väterland
Aus dem Französischen von Rosemarie Griebel-Kruip
München: Mixtvision 2017
EA 2015 u.d.T.: Embardéé
114 Seiten
€ 9,90
Übergangsbuch ab 12 Jahren

Léon, Christophe und Rosemarie Griebel-Kruip (Übersetzerin): Väterland

FAMILIE = VATER + MUTTER+KIND?
von Michelle Gerold, Ramina Schiffer und Giannina Schins (2017)

Christophe Léons Übergangsbuch „Väterland“ erzählt die Geschichte der zwölfjährigen Gabrielle, die mit ihren Eltern in einem dystopischen Zukunftsfrankreich lebt: Nach der Legalisierung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare beginnt durch einen politischen Machtwechsel eine schrittweise Einleitung der Ausgrenzung homosexueller Paare aus der Gesellschaft, die an Vorgehensweisen des nationalsozialistischen Regimes erinnert.

Die Protagonistin Gabrielle und ihre Familie leiden unter den Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas, da Gabriele im Alter von sechs Monaten von dem homosexuellen Künstlerpaar Phil und George adoptiert worden ist. Während Gabrielle anfänglich rassistische Beschimpfungen durch ihre Mitschüler*innen erfährt, erleiden ihre Väter gewalttätige Übergriffe und öffentliche Demütigung. Diese gipfeln in der Bloßstellung der eigenen Sexualität durch Markierung mit einer rosa Raute und der Umsiedlung vorerst aller homosexuellen Ehepaare in ein primitives Ghetto fernab der Metropole Paris. Um ein besonderes Geburtstagsgeschenk für Gabrielle zu besorgen, entscheiden sich ihre Väter, das Risiko einzugehen, ohne Passierschein ins Zentrum der Stadt zu fahren. Dabei kommt es zu Komplikationen und einer turbulenten Verfolgungsjagd, von deren Auswirkungen auch Gabrielle nicht verschont bleibt.

Auf 116 Seiten verknüpft Léon in fünfzehn Kapiteln auf raffinierte Art und Weise die Erzählgegenwart mit der Vergangenheit: Gabrielle präsentiert ihre Geschichte sowohl als erlebendes als auch als erzählendes Ich. Die Zusammensetzung einzelner Fragmente ermöglicht einen Rückblick in die Vergangenheit der gesamten Familie sowie Einblicke in Phils und Georges gegenwärtige Fluchtsituation und Gabrielles Zustand alleine im Ghetto. Durch ihre Augen erleben die Leser*innen eine differenzierte Schilderung des Umfelds, von Freund und Feind sowie eine detaillierte Charakterisierung ihrer beiden Väter.

„Väterland“ führt uns exemplarisch vor Augen, dass Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz keineswegs ein in der Vergangenheit abgehandeltes Kapitel darstellen, sondern auch durch den aufkommenden Rechtspopulismus in der heutigen Gesellschaft präsent sind. Daher bietet es sich an, diese Themen mit Jugendlichen (nicht nur) im Schulkontext aufzuarbeiten, und auch für Erwachsene eröffnet das Buch Anhaltspunkte zum Umgang mit Themen wie Sexualität, Homophobie und Rassismus. Léon setzt ein Plädoyer für Liebe, Toleranz und Aufgeschlossenheit: Er zeigt in seinem Roman eindringlich, dass Homosexualität von außen zu einem Problem gemacht wird und für homosexuelle Menschen selber gar keins ist. Was am Ende mit Gabrielle, Phil und George geschieht, bleibt ausgespart, wodurch der Autor es seinen Lesern*innen überlässt, was aus den Dreien – und somit auch aus unserer Zukunft – wird.

Der französische Schriftsteller Christophe Léon, der für seine mehr als 30 gesellschaftskritischen Jugendbücher bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat, entwirft ein Familienmodell, welches sich von der traditionellen Familienzusammensetzung aus Vater, Mutter und Kind absetzt. Dies tut er auf eine so natürliche Art und Weise, dass deutlich wird, wie unabhängig Liebe von Geschlecht und Hautfarbe ist.

Familie = Vater + Vater + Kind
Familie = Mutter + Mutter + Kind
Familie = Vater + Mutter + Kind

FAMILIE = LIEBE

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