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Patrick Lenz

Patrick Lenz

Patrick Lenz geboren 1965 in der Ostschweiz, kommt in den achtziger Jahren nach Zürich, macht eine Grafik- und Kunstausbildung, malt, tut dies und das und kann doch nicht anders als in Bildern denken. 2007 erschein im Atlantis Verlag sein Bilderbuch-Debüt „Tom und der Vogel“. In diesem Frühjar erschien, ebenfalls bei Atlantis, Karl und Kumpel … und jede Menge Würste, für welches der Autor Thomas Lindemuth den Text lieferte.

1. In Ihrem 2007 erschienenen Bilderbuch „Tom und der Vogel“, in dem es ebenfalls um die Freundschaft zwischen Mensch und Tier geht, sind Sie gleichzeitig Autor und Illustrator. Wie kam es nun für „Karl und Kumpel … und viele Würste“ zu der Zusammenarbeit mit Thomas Lindemuth und wie verlief sie?

Ich tue mich schwer damit, von Null auf Geschichten selber zu entwickeln. Sobald ich eine Arbeit abgeschlossen habe, beginne ich jeweils so ziemlich sämtliche Leute um mich herum zu nerven mit der Bitte, Geschichten oder Ideen zu liefern. So auch an einem Racletteabend im Frühjahr 07, an dem Thomas dabei war. Der entwickelte aus dem Stegreif eine Grundidee, die mir gefiel. Zwei Wochen darauf hatte er die Geschichte fertig, mir gefiel sie immer noch, das war der Startschuss zu „Karl und Kumpel“.

Da mir wichtig ist, dass die Autoren ihre Intentionen in den Illustrationen wiederfinden, war Thomas während der zeichnerischen Entwicklung des Buches immer auf dem Laufenden. Nicht zu vergessen Hans ten Doornkaat, Programmleiter des Atlantis Verlags, der sich sehr früh schon für die Arbeit interessierte. Er steuerte einige überzeugende Bildlösungen bei und war ein kritischer, genauer Begleiter des Projekts: Da sag ich dann nicht nein, dadurch wird eine Arbeit nur besser.

Dazu zeige ich meine Skizzen auch immer ausgewählten Leuten, die mit ihrem unverbrauchten, frischen Blick oft sofort Ungereimtheiten erkennen.

2. Den Mitarbeitern der Les(e)bar sind besonders positiv die von Ihnen verwendeten Wimmelbilder aufgefallen. Auch diese finden sich bereits in dem Bilderbuch von 2007 wieder. Könnte man hier von einer besonderen Vorliebe Ihrerseits sprechen, und wenn ja, warum?

Sieht ganz so aus … Mir gefallen halt Bilder, auf denen auch beim fünften Betrachten noch Neues entdeckt werden kann, und wenn das kleine Nebengeschichtchen sind, umso besser. Ich würd gern mal ein Buch nur mit Wimmelbildern zeichnen.

3. Die Darstellungen Ihrer Figuren sind sehr realistisch. Da gibt es sowohl den Muskelprotz, den Sonnenanbeter mit T-Shirt-Abdruck, als auch die übergewichtige Frau im Bikini. Beziehen Sie ihre Ideen aus Ihrem Umfeld, aus persönlichen Erfahrungen?

Ja, aus meinem Umfeld, aus persönlichen Erfahrungen, aus dem täglichen Leben, das uns permanent mit Figuren beliefert, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.

4. Haben Sie Vorbilder oder Lieblingsbilderbücher, die Sie beeinflusst haben?

Hm …hab' mir als Kind häufig „Globi“bücher angeschaut, den „Mondmann“ von Tomi Ungerer; das Buch „Was Kinder wissen wollen“ mit vielen farbigen Bildern zu allen möglichen Themen dieser Welt hat mich fasziniert. Vor kurzem meinte mein Bruder, „Klas und sein Bagger“ von Virginia Lee Burton habe mich als kleiner Junge interessiert ... Dann auch „Tim und Struppi“, die göttlichen „Peanuts“, die ich immer noch göttlich finde, dann Kindersendungen wie „Dominik Dachs“, „Lolek und Bolek“, „Pippi Langstrumpf“, aber auch Comics wie „Micky Maus“, „Fix & Foxi“ etc. etc., da macht man als Kind keinen Unterschied, das geht alles ineinander über.

Würd' nicht sagen, dass ich heute Vorbilder habe. Wenn ich heut' was ganz Tolles anschauen will, öffne ich das Buch „Little Nemo“ von Winsor McCay und bin jedes Mal überwältigt.

5. Unsere Rezensentin spricht von „skizzenhaften“ und doch „realistischen Zeichnungen“, die „ein ungeschöntes Bild von Durchschnittstouristen“ entfalten. Wie würden Sie selbst Ihren Stil beschreiben? Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor?

Bei jedem Projekt versuche ich, einen Zeichnungsstil zu finden, der dem Text entspricht. „Karl und Kumpel“ erzählt die lustige, lockere Geschichte eines Eigenbrötlers mit Charme, daraus ergab sich der relativ skizzenhafte, eben auch lockere Stil. Dann ist Teil meiner Arbeit das Einfühlen in die Figuren: Ein Typ wie Karl: Wie sieht der aus, wie kleidet und bewegt der sich, wie wohnt der, mit welchen Dingen umgibt er sich usw.? Das muss ich ja alles zeichnerisch umsetzen, um die Figur überzeugend mit Leben zu füllen. Wenn ich also während sechs Monaten an „Karl und Kumpel“ arbeite, lebe ich in dieser Zeit gewissermaßen mit ihnen zusammen.

Wenn ich meinen Stil beschreiben müsste: Ich seh' mich als Zeichner mit Blick fürs Detail.

6. Haben Sie selber Kinder oder haben Sie Kinder in Ihrem Umfeld, die Sie als Experten für die Bewertung Ihrer Bücher einsetzen?

Eigene Kinder hab ich nicht, aber ich hab' schon einen guten Draht zu Kindern. Kinder als Experten für eigene Stories/Zeichnungen einzusetzen, find ich ziemlich schwierig bis unmöglich. Meine Erfahrung: Meistens sind Kinder, die man direkt um ihre Meinung fragt, durch die ihnen geschenkte Aufmerksamkeit geschmeichelt und finden dann alles irgendwie gut, was man ihnen zeigt.

Das find' ich überhaupt speziell bei Bilderbüchern: Das sind ja die Bücher, die die Konsumenten in der Regel nicht selber erwerben, sondern die von der Tante/dem Götti (Paten, d. Red.)/der Mutter für sie gekauft werden. Es zeigt sich dann nur indirekt, ob ein Buch den Kindern gefällt, nämlich dadurch, ob sie es anschauen oder nicht.

7. Der Bilderbuchkünstler Wolf Erlbruch hat vor kurzem gesagt, dass sich Bilderbücher und Comics indifferent zueinander verhielten. Teilen Sie diese Auffassung, auch in Hinsicht auf Ihren sehr an Comicpanels orientierten graphischen Erzählstil?

Weiß nicht recht, was er damit meint. Ich mach keinen Unterschied zwischen Geschichten mit Sprechblasen und Geschichten, bei denen der Text neben dem Bild steht. Und ich glaub', Kindern ist das sowieso egal. Wenn ich an die wunderbaren „Father Christmas“-Bücher von Raymond Briggs denke oder an „Lulu im Museum“ von Posy Simmonds, das mir sehr gefällt: Das sind Bildergeschichten mit Sprechblasen, also Comics, aber entscheidend ist doch, dass es gute Geschichten sind.

8. Uns würde interessieren, in wie fern sich die Arbeit an „Karl und Kumpel“ von der an „Tom und der Vogel“ unterschieden hat. Insbesondere, da Ihr Erstling rein pantomimisch erzählt und mit stark flächigen Bildern arbeitet, was beides bei „Karl und Kumpel“ nicht der Fall ist.

„Tom und der Vogel“ erzählt eine völlig andere Geschichte: still, ernsthaft, poetisch, fast melancholisch. Mir schien es einfach richtig, diese Geschichte in einer farblich reduzierten, textlosen Bildsprache zu erzählen.

Ich find's interessant, verschiedenartige Stoffe umzusetzen, ich hab ja auch verschiedene Seiten, und ich möchte mit meinen Arbeiten nicht immer wieder das gleiche Thema auf die gleiche Art behandeln.

9. Warum sind Karl und sein Kumpel solche Würstchen-Fans?

Tja, da müsst ihr Thomas Lindemuth fragen, der hat sich das ausgedacht ...

Ich bin ja für die zeichnerische Umsetzung zuständig, da hab ich versucht, Karl so wiederzugeben, dass man ihm ansieht, dass er ab und zu einem Würstchen nicht abgeneigt ist.

10. Ein gutes Bilderbuch sollte …

Was ein gutes Bilderbuch sollte, würd' ich auch gern irgendwann mal wissen. Und was Kinder als gutes Bilderbuch ansehen, weiß ich noch viel weniger. Arbeite vielleicht genau deshalb weiter.